Schröter: Erlösung – ein Konzept individueller und ästhetischer Religiosität der Moderne

Sektion I/1

Marianne Schröter, Lutherstadt Wittenberg

Erlösung – ein Konzept individueller und ästhetischer Religiosität der Moderne

Der theologische Topos der Erlösung steht wie wenig andere für die Revision der traditionellen protestantischen Dogmatik, die Neuzeit und Moderne allgemein bestimmt. Schon von seiner reformatorischen Prägung her stark individualitäts- und subjektbezogen, gerät er an der Schwelle zum 19. Jahrhundert zum Konzept und Organisationszentrum materialdogmatischer Entwürfe. Die Erlösungsidee leistet transkonfessionelle Verständigungen, kann in der im Entstehen begriffenen Religionswissenschaft sogar transreligiös geltend gemacht werden und tritt als religiöses Thema in deutlich außertheologische Zusammenhänge.

Der Beitrag will diese Bewegung nachzeichnen, indem zunächst auf die moderneprägende Fassung des Erlösungsgedankens eingegangen wird, wie sie die theologische Konzeption Friedrich Schleiermachers und seine Beschreibung des Verhältnisses von Religion und Kunst bestimmt. Von dort aus sollen Linien in die philosophisch-religionskritische Debatte (Friedrich Nietzsche) und in die ästhetisch-musikdramatische Theoriebildung (Richard Wagner) gezogen werden. Schließlich ist abschließend zu bedenken, welche textbezogene Charakteristik, individualreligiöse Disposition und aufführungspraktische Verortung in säkulare Zusammenhänge es ermöglichten, dass Händels Messiah für diese mehrdimensionale Transformationsbewegung ein besonders geeignetes Sujet darstellen konnte und noch darstellt.