Internationale Wissenschaftliche Konferenz zu den Händel-Festspielen 2018

Das Motto der Händel-Festspiele 2018 „Fremde Welten” wird in der Wissenschaftlichen Konferenz, die die Abteilung Musikwissenschaft am Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gemeinsam mit der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft und der Stiftung Händel-Haus am 28. und 29. Mai 2018 veranstaltet, in zwei Richtungen entfaltet: Zum einen soll es darum gehen, wie sich Musiker als innereuropäische Migranten in der Fremde orientierten, zum anderen darum, wie sich außereuropäische Fremderfahrungen in der Kunstproduktion manifestierten.

John Mainwarings Heldenerzählung von einem Musiker, dem an allen seinen Wirkungsstätten sofort und umstandslos die Menschen zu Füßen lagen, verdeckt bis heute die Tatsache, dass Händel sich über seine gesamte Karriere hinweg als Fremder mit Phänomenen der sprachlichen, religiösen, politischen, kulturellen und ästhetischen Alterität auseinandersetzen und sich in diesen fremden Umfeldern bewähren musste. Sei es die ‚neue Welt‘ der Oper in Hamburg, sei es die vielseitig diversifizierte Musikkultur in den italienischen Metropolen, sei es London mit seinem spezifisch zwischen nationalen (englischen) und internationalen (französisch-italienischen) Idiomen changierenden Musikleben: In all diesen unterschiedlichen Milieus musste sich Händel jeweils neu orientieren und sich um eine Vermittlung zwischen dem Eigenen, das er mitbrachte, und dem Fremden, mit dem er konfrontiert wurde, bemühen.

Diese Herausforderung teilte Händel mit vielen seiner europäischen Zeitgenossen, die sich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges verstärkt international ausrichteten, nicht nur Komponisten, sondern auch Sängerinnen und Sängern sowie Instrumentalisten. Die Musikermigration war verbunden mit dem Transfer verschiedener musikalischer Schreibarten, Gesangspraktiken und Spielweisen in unterschiedlichste kulturelle Milieus, der Irritationen und Auseinandersetzungen auslösen, aber auch vielfältige Hybridisierungsphänomene in Gang setzen konnte.

Die Konferenz möchte dazu anregen, die Chancen, aber auch Konflikte und Herausforderungen neu zu beleuchten, die aus den musikalischen Migrationsbewegungen innerhalb Europas im Zeitraum zwischen 1650 und 1750 hervorgingen, und zugleich dazu beitragen, die Figur Händels in ihrer Symptomatik und Besonderheit innerhalb dieser Bewegungen neu zu verorten.

Dass die Wahrnehmung des Fremden und seine assimilierende ‚Verwandlung‘ ins Eigene nicht nur eine innereuropäische Problematik darstellte, sondern auch das Verhältnis Europas zu den außereuropäischen, „exotischen“ Kulturen betraf, kann an Händels Opern abgelesen werden. Während für die musikalische Darstellung des Exotischen im betrachteten Zeitraum kein eigener musikalischer Stil entwickelt wurde (Ralph P. Locke spricht von „Exotismus ohne exotischen Stil“), lassen sich für „den gesungenen Text, die Regieanweisungen, das Kostümbild, aber auch die kulturellen Einstellungen, die auf der Metaebene des Werkes liegen“, durchaus Momente eines theatralen Exotismus mit spezifischen kulturpolitischen Funktionen ausmachen (Ralph P. Locke spricht vom „Exotismus ohne exotischen Stil“). Auch hier ist zu fragen, wie sich Händels Handhabung des kulturell Fremden in Opern wie Tamerlano, Poro, Giulio Cesare, Berenice oder Tolemeo an Verfahren seiner Zeitgenossen anschließt oder von ihnen abweicht. Diese Frage stellt sich umso mehr, als das England der Händel-Zeit bereits über so viele Kolonien und außereuropäische Handelsbeziehungen verfügte, dass Zeugnisse des Fremden dort allgegenwärtig gewesen sein dürften.

In einem weiteren Sinne soll mit der Thematik dieser Konferenz auch die aktuelle Krisensituation Europas zwischen gezielter Abschottung gegenüber Migrationsbewegungen und politischem Willen zur Integration des Fremden historisch reflektiert werden.

Am 26. Mai 2018, dem Samstag vor der Konferenz, wird Prof. Dr. Thomas Seedorf (Karlsruhe) mit einem Festvortrag zu „Händel, der vertraute Fremde“ in die Thematik einführen.

Programm

Samstag, 26. Mai 2018, Stadthaus am Markt

10.00 Uhr: Festvortrag

Thomas Seedorf (Karlsruhe): Händel, der vertraute Fremde

Montag, 28. Mai 2018, Händel-Haus, Kammermusiksaal

10.00 Uhr: Eröffnung der Konferenz

Begrüßung und Einführung: Wolfgang Hirschmann (Halle)

Musikalische Gestaltung: Studierende des Instituts für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

10.30–12.00 Uhr: Sektion I

Reinhard Strohm (Oxford): Türken, Inder, Indianer: Abstufungen des Zivilisationsmythos im Musiktheater der Händelzeit

Matthew Gardner (Tübingen): Italian Opera for the English Taste: Handel’s Creative Choices in his Early London Operas 1711–1715

13.30–15.00 Uhr: Sektion II

Donald Burrows (Milton Keynes): ‘To set the Italian performers in the most contemptible Light possible, they are individiously represented as a Set of Beggars’. The representation of the London opera company in 1745

Berthold Over (Mainz): Paradigmen musikalischer Mobilität: Händels Pasticci

15.30–17.00 Uhr: Sektion III

Ivan Ćurković (Zagreb): Handel as Outsider in the World of Opera Seria in London. Attempts at a Comparison with a Special Emphasis on Duets and Ensembles

Graydon Beeks (Claremont): Sir George Smart’s adaptation of Mozart’s orchestration of Messiah

17.30 Uhr: Führung durch die Ausstellung „So fremd, so nah”

Dienstag, 29. Mai 2018, Händel-Haus, Kammermusiksaal

10.00–12.15 Uhr: Sektion IV

Juliane Riepe (Halle): Ideologeme der Musikermigration

John H. Roberts (Berkeley): Rosenmüller in Italy: Traces of a Shadowed Life

Margret Scharrer (Saarbrücken): Zwischen Orient und Okzident: Musikerreisen abseits europäischer Wege

13.30–15.00 Uhr: Sektion V

David Vickers (Manchester): Giulia Frasi in English music

Vassilis Vavoulis (Athen): Whose ‘exotic’ is it? Reassessing exoticism in Handel’s opera librettos

15.30–17.00 Uhr: Sektion VI

Livio Marcaletti (Wien): Zwischen Politik, Spiel und Neugier: Das Fremde in venezianischen Libretti um 1700

Alison C. DeSimone (Kansas City): “Lov’d at home and fear’d abroad”: The War of the Spanish Succession in English Song and On the Stage

Schlusswort

17.30 Uhr: Führung durch die Redaktion der Hallischen Händel-Ausgabe

Wissenschaftliche Konferenz 2018

Der Flyer der Konferenz zum Download:
Flyer Händel-Konferenz 2018 [4.5MB/pdf]

Die Programmbroschüre zum Download:
Programmbroschüre 2018 [147KB/pdf]

Call for papers

Termin für Referatsanmeldungen: 30. September 2017

2018 Call for papers_deutsch [87.4KB/pdf]

2018 Call for papers_english [93.4KB/pdf]