Prof. Dr. Manfred Rätzer (1929–2021)

Foto: Patricia Reese (2017)

Nachruf

Am 26. April 2021 ist Prof. Dr. Manfred Rätzer im Alter von 91 Jahren gestorben. Die Händel-Gesellschaft verliert in ihm einen großen Händel-Enthusiasten, der in unermüdlicher Arbeit die Ziele der Händel-Pflege und Händel-Forschung gefördert und vorangetrieben hat.

Manfred Rätzer, der eigentlich Bibliothekar werden wollte, wirkte hauptberuflich als Professor für Volkswirtschaft an der Universität Halle, in seinen Nebenstunden arbeitete er intensiv an dem großen Forschungsprojekt einer Dokumentation aller szenischen Auffüh-rungen von Werken Georg Friedrich Händels. Ein grundlegender Beitrag erschien im Jahr 2000 im Händel-Jahrbuch: „Händels Werke auf der Bühne 1705–1999. Eine Bilanz“; der Artikel bietet eine konzentrierte Fassung der groß angelegten Dokumentation, die Manfred Rätzer im Jahr 2000 als Band 17 der Schriftenreihe des Händel-Hauses publizierte. Dieses Buch wiederum basiert auf den zwanzig maschinengeschriebenen und hektographierten Bänden (in sieben Teilen) mit dem General-Titel „Die Händel-Oper auf der modernen Bühne“, in denen der Forscher die Ergebnisse seiner Untersuchungen erstmals in großer Form zusammengestellt hatte.

Manfred Rätzer reiste gerne und unter manchmal schwierigen Umständen, die er selbstlos trug, zu den Opern-Aufführungen, die er dokumentierte. Ertragen musste er manche Inszenierung des Regietheaters, die er selten öffentlich, aber oft im vertrauten Gespräch kritisierte. Sein Enthusiasmus für Händel blieb auch in späteren Jahren ungebrochen; bis ins hohe Alter hat er die Inszenierungslisten fortgesetzt und im Händel-Jahrbuch publiziert. Die Dokumentation liegt nun bequem recherchierbar und in aller Welt zugänglich im Internet als „Operndatenbank“ auf der Homepage der Stiftung Händel-Haus vor und wird in seinem Sinne fortgeführt.

Mit dem Dokumentationsprojekt freilich sind beileibe nicht alle Leistungen Manfred Rätzers für die Händel-Forschung umrissen. Er hat eine Fülle von Artikeln in den Händel-Hausmitteilungen veröffentlicht, spannende Berichte, Beiträge und Interviews, die die Händel-Renaissance des 20. Jahrhunderts, das Verhältnis zwischen den verschiedenen Händel-Städten Deutschlands und Fragen der Historischen Aufführungspraxis thematisieren.

Und Manfred Rätzer hat als Mitglied, langjähriger Vorsitzender der Revisionskommission und seit 1995 bis 2015 als Vorstandsmitglied und bis 2011 als Schatzmeister die Händel-Gesellschaft wesentlich geprägt, uneigennützig für eine Sache eintretend, die ihm wie nichts anderes in der Welt am Herzen lag. Halle und die internationale Händel-Gemeinschaft haben ihn mehrfach dafür geehrt – 1989 mit dem Händel-Preis der Stadt Halle, 2000 mit der Ehrenmitgliedschaft in der Händel-Gesellschaft.

Wir verneigen uns vor einer großen Persönlichkeit, einem ebenso raubeinigen wie liebenswerten Händelianer, dessen wissenschaftliches Erbe wir als Auftrag für das weitere Wirken der Händel-Gesellschaft begreifen. Wir werden Professor Rätzer ein bleibendes Andenken bewahren.

Wolfgang Hirschmann