HWV 46a (I/4.1: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Michael Pacholke, Kassel 2019
Händels Anfang 1707 in Rom entstandenes erstes, lange als „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ („ Der Sieg der Zeit und der Erhellung“), HWV 46a, bekanntes Oratorium heißt in der zweibändigen Primärquelle (D-MÜs, SANT Hs 1896 sowie SANT Hs 1914a) „La Bellezza Raueduta nell’ Trionfo Del Tempo e del Disinganno“. Der normalisierte Titel dieses allegorischen Oratoriums lautet „La Bellezza ravveduta nel trionfo del Tempo e del Disinganno“, in deutscher Übersetzung „Die durch den Sieg der Zeit und der Erhellung geläuterte Schönheit“.
Der authentische Titel fördert die gebotene Abgrenzung des im vokalen Bereich ausschließlich von vier Solisten (welche die Allegorien der Schönheit, der Zeit, der Erhellung und des Vergnügens verkörpern) bestrittenen, strikt dramatisch angelegten frühen Werkes von dem späteren, fünf Chöre und mit ihnen stärker reflexive Elemente einbeziehenden Oratorium „Il trionfo del Tempo e della Verità“, HWV 46b, in der Fassung von 1737. Mit HWV 46b, größtenteils eine Neuvertonung des kaum veränderten Worttextes von 1707, hat „La Bellezza ravveduta“ musikalisch nur drei einfache Rezitative und fünf Musiknummern sowie Passagen bzw. musikalisches Material von sechs weiteren Rezitativen und zehn weiteren Nummern gemein. HWV 46b besteht zu mehr als der Hälfte aus von HWV 46a völlig oder sehr weitgehend unabhängiger Musik und nur zu etwa einem Drittel aus gleicher bzw. kaum veränderter Musik.
Es gibt keine Nachweise für Aufführungen von „La Bellezza ravveduta“ unter Leitung Händels und überhaupt während seiner Anwesenheit in Rom. Da im offiziellen „Diario di Roma“ von Francesco Valesio (1670–1742) eine entsprechende Notiz fehlt, und aufgrund vieler anderer im Band erörterter Indizien kann sogar als einigermaßen sicher gelten, dass „das Oratorium trotz des zeitgenössischen Aufführungsmaterials in Rom nicht aufgeführt worden ist“ (Mitteilung von Hans Joachim Marx an den Hrsg., Juni 2019).
Die Quellenlage ist schwierig, da es nur zwei vollständige handschriftliche Partituren aus Händels Zeit gibt (neben der zweibändigen Primärquelle noch GB-Lbl, R.M.19.d.9), die voller Kopistenfehler sind, von denen in der Münsteraner Quelle praktisch keiner und in der Londoner nur ein Teil (überwiegend von Händel selbst) korrigiert wurde. Für die Ausgabe konnten viele Fehler nur durch Konjektur berichtigt werden, während für etliche andere Korrekturen auf Überlieferungen mancher Musiksätze in anderen La-Bellezza-Quellen bzw. in anderen Werkzusammenhängen, vor allem in HWV 46b, zurückgegriffen werden konnte. „La Bellezza ravveduta“, eines der schönsten Händel-Oratorien, wegen seiner dramatischen Struktur heutzutage besonders gern bühnenmäßig aufgeführt, liegt erstmals und endlich in einer zuverlässigen Ausgabe vor.
(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2019)