Song for St Cecilia’s Day

HWV 76 (I/15: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Stephan Blaut, Kassel 2020

Die kurze, im Autograph mit „Song“ überschriebene „kleine Cäcilienode“ – so die im Deutschen öfter verwendete Bezeichnung für HWV 76 – komponierte Händel im September 1739. Als Textvorlage diente ihm eine 1687 von John Dryden (1631–1700) gedichtete Ode mit dem Titel „A Song for St Cecilia’s Day“. Auf welche Weise der Komponist mit Drydens Text vertraut wurde, ist nicht überliefert. Für Händels 1736 erstmalig aufgeführte große Cäcilienode, „Alexander’s Feast“, HWV 75, hatte Newburgh Hamilton (1691–1761) diese ebenfalls von Dryden verfasste Dichtung geringfügig bearbeitet und in Rezitative, Arien und Chöre untergliedert; möglicherweise tat Hamilton das auch bei der kleinen Cäcilienode.

Das Londoner Publikum war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Aufführungen gewohnt, in denen dreiteilige Opern oder Oratorien erklangen. Da „Alexander’s Feast“ nur aus zwei Teilen bestand, hatte Händel das Werk zuerst durch drei Konzerte und eine Kantate erweitert und entsprach dadurch der erwarteten Länge der musikalischen Veranstaltung. Mit der Vertonung von Drydens kürzerer Cäcilien-Dichtung bot sich Händel nun die Gelegenheit, „Alexander’s Feast“ mit einem nicht nur dem Umfang nach passenden, sondern auch inhaltlich korrespondierenden Werk zu kombinieren und damit in den zwei ersten Aufführungen der neu komponierten Ode am 22. und 27. November 1739 einen vollwertigen Konzertabend zu veranstalten. In späteren Wiederholungen von HWV 76 ersetzte Händel „Alexander’s Feast“ durch andere passende Werke: „Acis and Galatea“, HWV 49a, und „L’Allegro ed il Penseroso“, HWV 55 (ohne den 3. Teil, „Il Moderato“).

Die Neuedition von Händels „Song for St Cecilia’s Day“ bietet im Hauptteil Musik und Text in
der Fassung der Erstaufführung. Auch wenn nicht genau bekannt ist, welche Musik als
instrumentale Einleitung der Ode erklang, wurden – der autographen Überlieferung entsprechend – als Einleitungsstücke die in der Kompositionspartitur der Ode vorhandenen Instrumentalsätze wiedergegeben. Der Anhang I des Bandes enthält Frühfassungen von drei Sätzen, die noch vor der Uraufführung gekürzt oder beträchtlich erweitert wurden. Bei den drei Stücken des Anhangs II handelt es sich um Änderungen bzw. um eine Neuvertonung der Arie „The soft complaining flute“, die Händel für nach der Premiere der Ode veranstaltete Aufführungen ausgeführt hatte, um den neuen Sängern seines Ensembles gerecht zu werden.

(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2020)