HWV 38 (II/37: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Wolfgang Hirschmann, Kassel 2019
„Berenice“ ist die letzte von drei Opern, die Händel für die Spielzeit 1736/37 im Covent Garden Theatre in London schuf. Anders als bei „Giustino“, HWV 37, und „Arminio“, HWV 36, erfolgte die Komposition von „Berenice“ während der laufenden Spielzeit: Händel begann mit der Partitur am 18. Dezember 1736 und schloss sie am 27. Januar 1737 ab. Die Uraufführung fand dann erst am 18. Mai 1737 statt; drei weitere Aufführungen am 21. und 25. Mai sowie am 15. Juni folgten, bevor die Spielzeit am 25. Juni zu Ende ging. Im Vorfeld der Uraufführung (um den 20. April 1737 herum) erlitt Händel jene „Paraletick Disorder“, die dazu führte, dass die Bewegungsfähigkeit seines rechten Arms stark eingeschränkt war und er offenbar für den Rest der Spielzeit als Cembalist und Organist ausfiel.
Für die Uraufführung konnte Händel auf die Sopranistin Anna Maria Strada del Pò (Berenice), die Altistin Francesca Bertolli (Selene), den Alt-Kastraten Domenico Annibali (Demetrio), den Sopran-Kastraten Gioacchino Conti (Alessandro), die Altistin Maria Caterina Negri (Arsace), den Tenor John Beard (Fabio), der offenbar in einzelnen Vorstellungen durch William Savage ersetzt wurde, sowie den Bassisten Henry Reinhold (Aristobolo) zurückgreifen. Händel arbeitete im Vorfeld der Uraufführung die Oper in einem nicht unerheblichen Maße um. Er erweiterte die beiden Sätze der Ouvertüre um eine Gigue und nahm an verschiedenen Arien Kürzungen vor. Stärkere Eingriffe sind am Ende der Oper zu beobachten; der Komponist kürzte eine Arie in cis-Moll vollständig heraus und eliminierte auch in der Schlussszene eine Arie, deren musikalische Substanz er der Neukomposition einer Arie gegen Ende des 2. Aktes zugrunde legte.
Nach 1737 wurde „Berenice“ in London nicht mehr gespielt. Nachweisbar ist eine bearbeitete Aufführung der Oper in Braunschweig im Jahr 1743; Händel selbst verwendete vier Arien und eine Sinfonia 1737/38 für sein Pasticcio „Alessandro Severo“, HWV A13, übernahm eine Arie in das Pasticcio „Giove in Argo“, HWV A14, und arbeitete die Sinfonia zu Beginn des 3. Aktes 1748 zur Ouvertüre der „Music for the Royal Fireworks“, HWV 351, um. Besonderer Beliebtheit erfreute sich der 2. Satz der Ouvertüre (Andante larghetto), der bis heute als „Minuet from Berenice“ bei feierlichen Gelegenheiten aufgeführt wird.
Die Neuedition der HHA trennt strikt zwischen der Version der Erstaufführung, die im Hauptteil herausgegeben wird, und den Frühfassungen einzelner Arien und Szenen, denen der Anhang gewidmet ist. Besondere editorische Herausforderungen stellten die Viola- und die Oboenstimmen dar: Erstere mussten in zahlreichen Arien, in denen sie colla parte mit dem Generalbass gehen, ausgeschrieben werden, für zweitere musste in fast allen Fällen geklärt werden, in welchen Stücken sie musizieren, da Händels Autograph kaum Angaben dazu macht.
(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2019)