HWV 8a (II/5: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Suzana Ograjenšek, Kassel 2018

Händel komponierte „Il pastor fido”, HWV 8a, im Herbst 1712, kurz nachdem er zum zweiten Mal in London eingetroffen war. Man geht davon aus, dass ihm und dem Librettisten für die Arbeit nur etwa zwei Wochen zur Verfügung standen. Das vollendete Autograph datierte er auf den 24. Oktober 1712. Obwohl seine Kompositionspartitur nicht vollständig erhalten ist, gilt das Autograph als das früheste überlieferte Opernmanuskript Händels, in dem er das Datum der Fertigstellung des Werkes festhielt. Die Uraufführung der Oper fand am 22. November 1712 im Queen’s Theatre in the Haymarket statt. Das Libretto stammt von Giacomo Rossi, der für seine Textfassung die erstmals 1590 im Druck erschienene gleichnamige „Tragicommedia pastorale” von Giovanni Battista Guarini heranzog. Dieses Werk war bis ins 18. Jahrhundert hinein ein aktueller Stoff und Textgrundlage für zahllose Madrigale und einige Opern, unter denen Händels und Rossis Arbeit als erste bekannte Produktion gelten kann. „Il pastor fido” war nach dem großen Erfolg von „Rinaldo”, HWV 7a, in der ersten Jahreshälfte von 1711 Händels zweite Oper für London, konnte aber als kleiner dimensionierte Pastoraloper nicht an den früheren Erfolg anknüpfen.

Für mehr als die Hälfte der Arien entlehnte Händel Musik aus seinen römischen Kompositionen, vor allem aus den dort entstandenen Kantaten, aber auch aus den Opern „Rodrigo”, HWV 5, „Agrippina”, HWV 6, und dem Oratorium „La Resurrezione”, HWV 47. Dabei wurde entweder die übernommene Musik neu textiert oder die bereits bestehende Musik mitsamt dem Text in die neue Handlung integriert.

Um die Schlichtheit des pastoralen Idioms einzufangen, operierte Händel mit zurückhaltender Orchestrierung und komponierte einen verhältnismäßig hohen Anteil der Arien als Continuo- Arien, bzw. als „Arie all’unisono” (in denen die Gesangsstimme durch die Oberstimmen im Orchester im Einklang verstärkt werden) oder „Arie all’ottava” (in denen die Orchesterstimmen im Einklang geführt sind).

Der Band der HHA bietet im Hauptteil die Londoner Erstaufführungsfassung von 1712 und berücksichtigt auch alle Änderungen und Hinzufügungen, die erfolgten, nachdem das Libretto gedruckt vorlag. Die Anhänge I und II enthalten die vor der Erstaufführung verworfene Musik sowie vier für einen Sopran transponierte Arien aus der Partie des Silvio.

(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2018)