HWV 10 (II/7: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Terence Best, Kassel 2015
Über Komposition, Besetzung und Aufführung von Lucio Cornelio Silla ist weniger bekannt, als es bei irgendeiner anderen Händel-Oper der Fall ist. Man weiß nicht einmal, ob sie zur Zeit ihrer Entstehung überhaupt aufgeführt wurde; das gedruckte Libretto von Giacomo Rossi jedoch beweist, dass eine Aufführung zumindest geplant war, wahrscheinlich am 2. Juni 1713, dem Datum der Widmung. Friedrich Chrysander nahm an, dass die Oper in Lord Burlingtons Londoner Haus aufgeführt wurde, wo sich Händel in den Jahren 1713–16 einige Zeit aufgehalten zu haben scheint. In jüngerer Zeit hingegen wurde erwogen, dass es eher eine private Aufführung im Queen’s Theatre gewesen sein könnte, da Libretto und Partitur aufwändige Bühneneffekte fordern, die in Burlington House nicht verfügbar gewesen sein dürften.
Lucius Cornelius Sulla Felix wurde 138 v. Chr. geboren. Er zeichnete sich durch umfassende Bildung und literarisches Interesse, aber auch durch seinen Hedonismus aus. Er wurde zum Diktator von Rom berufen, begründete eine Terrorherrschaft, nahm grausam Rache an seinen Feinden und reorganisierte die Verwaltung. Im Jahre 79 trat er von seinem Amt zurück und ging in den Ruhestand auf sein Landgut in Puteoli. Mit diesem Rücktritt endet Händels Oper. Das „lieto fine” oder glückliche Ende der Barock-Oper, dass dem heutigen Publikum oft absurd erscheint, weil bösartige Figuren ihre Schlechtigkeit bereuen und jedermann beschließt, alle anderen zu lieben, reflektiert in Fall von „Silla” also eine historische Wahrheit.
Anders als Chrysanders Ausgabe von „Silla” (1873) enthält HHA II/7 auch die Ouvertüre der Oper. Sie ist nur in einer einzigen Quelle überliefert, die Chrysander zwar kannte, aber aus unbekannten Gründen nicht für seine Ausgabe nutzte.
Das Libretto enthält einige Verse, für die keine Musik überliefert ist, die aber nicht mit Anführungszeichen markiert sind, also offensichtlich aufgeführt werden sollten. Außerdem gibt es zwei Bühnenanweisungen, die mehr zu erfordern scheinen als Improvisationen eines der beiden Continuo-Cembalisten. Da das Autograph unvollständig ist, kann es sein, dass von Händel für diese Passagen komponierte Musik verloren ging. Um die Oper aufführbar zu machen, hat der Herausgeber passende Musik aus anderen Werken des Komponisten eingeschaltet.
(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2014)