HWV 30 (II/27: Notenband mit Kritischem Bericht), herausgegeben von Michael Pacholke, Kassel 2016
Als Händel Ende 1731 nach Ezio, HWV 29, mit der Komposition der zweiten neuen Oper für die Spielzeit 1731/32 anfing, wollte er zunächst das geographische und historische Milieu des Vorlagelibrettos, Dionisio, Re di Portogallo, Florenz 1707, beibehalten. Unter dem Titel Fernando, Re di Castiglia begann der Komponist, eine Geschichte um einen Machtkampf zwischen portugiesischem König (Dionisio) und Königssohn (Alfonso) zu vertonen, in den der kastilische König (Fernando) vermittelnd eingreift. Die Handlung kann aufgrund der Mischung verschiedener historischer und fiktiver Ereignisse und Personen nur grob in die Zeit um 1300 eingeordnet werden. Da England traditionell mit Portugal verbündet und mit Spanien verfeindet war, wird ein Drama wie Fernando in London politisch nicht willkommen gewesen sein. Jedenfalls verlegten Händel und sein Textdichter mitten im Kompositionsprozess das Geschehen in ein orientalisches Milieu in mythischer Zeit und änderten die Namen von sechs der sieben Hauptpersonen. Von den etwa 460 Rezitativ-Versen, die Händel in Fernando vertont hatte, strich er bei der Umarbeitung zu Sosarme ungefähr 95. Textstellen zum iberischen Milieu in den szenischen Bemerkungen und im Gesangstext wurden gestrichen und ersetzt bzw. überschrieben. Die letzten beiden Szenen des 2. Aktes und den ganzen 3. Akt komponierte Händel von vornherein als Sosarme.
1734 fanden die letzten Aufführungen dieser Oper zu Händels Lebzeiten statt. Die Änderungen des Komponisten dafür bestanden unter anderem in weiteren Kürzungen der Rezitative von etwa 505 auf ungefähr 365 Verse und – im Zusammenhang mit der Neubesetzung von sechs der sieben Gesangspartien – in der Einfügung von vier nach Vorlagen aus Riccardo primo, HWV 23, bearbeiteten Arien.
Die Chrysander-Ausgabe bietet nichts von derjenigen Musik, die nur zu Fernando, aber nicht zu Sosarme gehört. Aus der Fassung von 1734 sind bei Chrysander zwar einige der Kürzungen und Änderungen innerhalb von Musiksätzen angegeben, ihr Zusammenhang mit den Aufführungen von 1734 wird jedoch nicht erklärt.
Die Edition der HHA besteht wegen der Fülle des Materials und der besseren Möglichkeit, die Fassungen Fernando und Sosarme 1734 mit der Version der Uraufführung von 1732 zu vergleichen, aus zwei Teilbänden. Gegenstand des Hauptteils im ersten Teilband ist die Uraufführungsversion von Sosarme. Der Anhang I, mit dem der zweite Teilband beginnt, hat das Fragment Fernando zum Inhalt, Anhang II bietet Frühfassungen von drei Arien, die Fassung von 1734 erscheint im Anhang III.
Bereits im Frühjahr 2016 wurde Sosarme am Opernhaus in Halle (Saale) nach dem vorab publizierten Hauptteil der HHA-Edition szenisch aufgeführt.
(Quelle: Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Jahresbericht Hallische Händel-Ausgabe 2016)